On this day I see clearly everything has come to life
A bitter place and a broken dream
And we’ll leave it all behind
ALTER BRIDGE – Metalingus
Als im Januar oder Februar 2009 ein Amaray mit schlichtem, schwarzem Inlay, dem Runes of Magic(RoM)-Logo und dem Schriftzug “Beta Client” auf meinem Schreibtisch landete war das keineswegs eine Entscheidung aus Interesse oder gar Liebe, sondern eine Notwendigkeit: als einem der wenigen PC-Spieler in der MultiMania-Redaktion fiel mir diese Aufgabe einfach zu. Zu diesem Zeitpunkt dachte ich bei MMORPGs vor allem an belanglose Dutzendware der Marke Age of Conan, stumpfe und/oder vollautomatisierte Asia-Grinder der Marke Silkroad und natürlich das unumgängliche WoW, das den Tod meiner Lieblings-RTS-Reihe eingeläutet hatte und zugleich viele Freunde und Bekannte aus dem Shooter-Umfeld eingesaugt hatte. Kurz: ich hatte kaum Erwartungen an RoM – und wenn, dann sicher keine positiven. Hätte mir damals jemand gesagt, dass ich dem Spiel ein paar tausend Spielstunden widmen und mehrere hundert Euro investieren würde, hätte ich denjenigen wohl ausgelacht. Dass es dann doch so kam dürfte Bände über das ungeheure Potential sprechen, das dereinst in RoM steckte.
Darum sagen wir:
“Auf Wiedersehn.
Die Zeit mit euch war wunderschön.
Es ist wohl besser
jetzt zu gehn,
wir können keine Tränen sehn.
Schönen Gruß und auf Wiedersehn.”DIE TOTEN HOSEN – Schönen Gruß, auf Wiedersehn
Es gab so viel zu entdecken: das duale Klassensystem bedeutete ein spürbares “Mehr” an spielerischer Vielfalt, machte aus Standardklassen Exoten, eröffnete interessante Einblicke und brachte manchen sicher, wenn auch auf Umwegen, auf den richtigen Pfad, so wie mich, der aus einem Magier/Priester-Twink irgendwann den Priester-Mainchar mit Kundschafter-Zweitklasse machte. Auch storytechnisch bot RoM einiges: egal ob man der armen Frau Helen dabei half, zwielichtige Gestalten von ihrem Bauernhof zu verjagen, dem Eiszwergenkönig Ayson ein paar auf die Mütze gab oder Wiedergängern in Rabenfeld Erlösung brachte: neben den üblichen “Töte x Gegner vom Typ YZ” oder “Sammle a Gegenstände vom Typ BC” gab es immer wieder auch wunderbare und liebevoll erzählte kleine Geschichten zu erleben. Überaus bemerkenswert waren hier auch die epischen Quests, die den Spieler durch quasi alle Levelgebiete begleiten konnten. Wer dann als “gestandener” Abenteurer zur kleinen Lola nach Logar oder dem Ratsvorsitzenden der Stadt Varanas zurückkehrte und dort dann wie ein lang vermisster Freund und mit lobenden Worten begrüßt wurde, der hatte ganz automatisch das Gefühl, mit seinem Char tatsächlich gewachsen und erwachsen geworden zu sein – und hier hin zu gehören.
Und dann, auf Level 50 angekommen und ohne neue Quests in Aussicht standen natürlich Instanzen auf dem Programm. Lange vor beeindruckenden Nonstats auf lila Rüstungs- und Schmuckteilen, vor ausschließlich cleanen Drops und Memento-Farmen wurden weiße Rüstungsteile in Überdura enchantet, im Normalfall mit grünen Stats von Questbelohnungen und bisweilen sogar mit Ingame-Fusionssteinen statt der makellosen (es heißt “makellos” = frei von Makeln, d.h. Fehlern, nicht “markellos”!) aus dem Itemshop. Damit war man dann durchaus ausreichend equippt für Instanzen vom Mystischen Altar über die Höhle der Zyklopen bis hin zum Schrein von Kalin. Für die anspruchsvolleren Instanzen, die 50er Version der Zwergeninstanz und die Schatzhöhle, wurden die Schrauben beim Equip und Skill aber noch ein bisschen angezogen. Das schöne: weißes Equip war ungebunden und konnte entsprechend ohne teuer entbunden zu werden im Auktionshaus weiter verkauft werden. Farmen, Geld verdienen war in den Zeiten vor Rohstoffpets, rein epischer Ausrüstung und “ich mach alles solo”-Klassen ungleich leichter. Die Verfügbarkeit von Diamanten für Gold im Auktionshaus garantierte faire Preise und einen betrugsfreien, sich selbst regulierenden Wirtschaftskreislauf.
Die Zeiten änderten sich. Die Diamanten verschwanden mit fadenscheiniger Begründung aus dem Auktionshaus, Setteile und Stats droppten nur noch clean und Setboni und Nonstats pushten die Leistungsfähigkeit noch weiter – im Umkehrschluss war dies der Punkt an dem Equipment tatsächlichem Spielskill und Klassenbeherrschung den Rang abliefen. Bezeichnenderweise, auch wenn Frogster dies sicher nie zugeben wird, dürfte an dieser Stelle die erste spürbare Abwanderung von Spielern stattgefunden haben. Symptomatisch sah ich eine große und überaus spielstarke Gilde zerbrechen, eine der ältesten Gilden des Servers, die sich zudem einige Server- und sogar Worldfirst-Instanzenclears anrechnen konnte. Ihr sollten zahlreiche weitere folgen und mehr und mehr suchten loyale Spieler sich keine neuen Gilden, sondern kehrten dem Spiel frustriert den Rücken.
I say goodbye to my weakness
so long to the regretSHINEDOWN – Diamond Eyes
Ich höre schon die immer gleichen Durchhalteparolen der ewigen Optimisten und der Forenoffiziellen: gebt Frogster/Runewaker doch ein bisschen Zeit, bald(?) kommt Chapter IV, vielleicht wirds ja dann wieder besser. Meine Antwort darauf ist die folgende: wir als Community haben viel mit- und durchgemacht, unsere Geduld und Leidensfähigkeit wurden über alle Maßen strapaziert. Bei der Stange gehalten hat die meisten von uns die Hoffnung dass die Gegenseite irgendwann aufhören würde uns als dummes Mastvieh und Melkkühe zu behandeln und uns stattdessen wieder guten Content präsentieren würde: spannende und funktionierende(!) Questreihen, anspruchsvolle Instanzen und Bosskämpfe wie zu Zeiten von Ursprung, Halle der Überlebenden, Zurhidonfeste oder Halle des Dämonenfürsten statt stumpfer Farmorgien wie im Kerker von Dalanis oder der Arena von Warnorken, statt stumpfer Damageencounter der Marke Tempel Dia oder Grabmal von Kawak. Die letzten 12 Monate – oder mehr – zeigen klar die Tendenz weg von den vielversprechenden Wurzeln hin zum Wettrüsten ohne Sinn- und Verstand, um nicht zu sagen zur Lizenz zum Gelddrucken, denn wer in den mittlerweile wöchentlichen Diaaktionen und den mindestens alle vier Wochen verfügbaren hochwirksamen Entbindern und Reinigungssteinen etwas anderes sieht als wirtschaftliches Kalkül, der muss sich naiv nennen lassen.
Man nehme oben beschriebene Situation, addiere die zahlreichen technischen Schwierigkeiten von nicht zu beendenden Questreihen bis hin zu Lags und dauerausfallenden Loginservern und multipliziere dies mit der an Unwilligkeit grenzenden Unfähigkeit Frogsters mit Cheatern, Botusern und Goldsellern fertig zu werden und erhält einen de facto untragbaren Zustand. Nein, ich werde nicht mehr warten und hoffen, dass die Situation sich bessert. Dazu ist 2011 ein zu vielversprechendes Spielejahr. “The Witcher 2″, “Mass Effect 3″ und diverser DLC für “Dragon Age 2″ versprechen fesselnde Storylines für mehrere hundert Stunden, “Battlefield 3″ und “Guild Wars 2″ werden wohl ebenfalls so manchen Gamer aus dem Winterschlaf holen und versprechen lustige Abende mit Freunden. Beide Spiele werden wohl zwangsläufig mit der üblichen Gruppe unfähiger, bösartiger und/oder dummer Spieler zu kämpfen haben – immerhin kommen dort anders als bei RoM aber nicht auch noch Hab- und Raffgier dazu.
In diesem Sinne: danke für viele tolle Erinnerungen, für so manche spannende Bekanntschaft und viele Stunden Unterhaltung, aber ich hoffe von Herzen, dass sich unsere Wege nie mehr kreuzen werden.