Interessantes und überraschend positives gibt es mal wieder aus der wunderbaren Welt der Wissenschaft zu vermelden: Am Institut für kognitive Neurowissenschaften der Universität Bremen hat eine Studie an 22 männlichen Probanden ergeben, dass auch bei Intensiv-Spielern keine Abstumpfung gegenüber der Darstellung von Gewalt stattfindet. Bevor die Gehirnaktivitäten untersucht wurden, wurden die Testpersonen jeweils der Darstellung von Videospiel- und dann der Darstellung ‘echter’ Gewalt ausgesetzt.

Der ‘Focus’ zitierte bereits am Montag aus der bislang unveröffentlichten Studie, die erst vom 12. bis 17. Juli einem Fachpublikum anlässlich eines großen Kongresses in Genf vorgestellt werden soll. Focus zufolge belegt die Untersuchung an 22 Teilnehmern, dass das Gehirn auch bei Intensivspielern

Die Probanden wurden nacheinander der Darstellung realer Gewalt und der Darstellung virtueller Gewalt ausgesetzt. Anschliessend wurde ihre Gehirnaktivität im Magnetresonanztomographen untersucht – mit einem offenbar eindeutigen Ergebnis. Nach dem Konsum der Darstellung realer Gewalt zeigte das limbische System erhöhte Aktivität, welches die emotionale Seite der menschlichen Psyche darstellt, den Teil, der auch für instinktives Verhalten zuständig ist.
Die Darstellung der gewalthaltigen Videospielsequenzen führte dagegen zu vermehrter Aktivität im Großhirn, in dem Bereich, der die menschliche Intelligenz und Dinge wie Kreativität oder auch das Urteilsvermögen beheimaten soll.

Klarer Fall: das Gehirn weiss Bescheid

Obwohl die Zahl der Probanden recht überschaubar ist, spricht das einheitlich ausgefallene Ergebnis eine deutliche Sprache, der auch prominente Killerspiel-Gegner bislang nichts entgegenzusetzen haben. Auch Vielspieler können demnach auf neuronaler Ebene zwischen virtueller und realer Gewalt unterscheiden – und sollten folglich im Normfalfall in der Lage sein, Videospiel-Verhaltensmuster nicht in die Wirklichkeit zu übertragen. Ob die Studie allerdings auch etwas an der Stimmung im Lande ändert, bleibt mehr als fraglich.

Immerhin, so betont Thorsten Fehr, Mitautor der Studie, gibt es natürlich noch die problematische soziale Komponente – Vielspieler könnte sich in den virtuellen Welten verlieren und reale Verpflichtungen und reales Sozialleben vernachlässigen oder gänzlich aufgeben. Allerdings besteht diese Gefahr wohl nicht nur bei Videospielen.

Die soziale Komponente

Ob es Zufall, Ironie des Schicksals oder geplant war, lässt sich wohl kaum mehr nachvollziehen, aber zum Staunen ist das Folgende allemal gut. Auf Planet Interview erschien heute ein Interview, in welchem Dr. Jeffrey Wimmer vom Institut für Medien, Kommunikation und Information eben jener Uni Bremen sich zur besagten sozialen Problematik äussert. Seine Untersuchungen zeigen auf, dass Videospielen sich mehr und mehr zum “Breitensport” entwickelt: nicht der ungebildete Jugendliche ist Gamer, sondern Abiturienten, Studenten, etablierte Erwachsene und – man glaubt es kaum – Frauen gehören ebenso zum Kreis der Konsumenten.

Zu den wichtigsten Erkenntnissen der Untersuchungen Dr. Wimmers gehörte, dass bis zu 75% der Spieler einer Online-Gemeinschaft von Spielern angehören, je nach Vorliebe von straff organisierten Wettkampfteams bis hin zu rein spassorienterten Feierabendzockern. Dazu kommt, dass mehr als 50% der Befragten angaben, regelmäßig online zu spielen, um im steten Austausch mit befreundeten Spielern zu sein. Von sozialer Vereinsamung also keine Spur – im Gegenteil ein klarer Trend zur Übertragung der Strukturen und Funktionen ‘realer’ Vereine und Organisationen in den virtuellen Bereich.

Diese Untersuchungen sind mittlerweile in Buchform unter dem Titel “Die Computerspieler. Studien zur Nutzung von Computergames” veröffentlicht.

Erstveröffentlichung 04.07.2008 07:16 auf figh7club.com