Videospiele machen ja angeblich vieles: dumm, gewalttätig, vielleicht auch gefräßig… und einsam. Oder nicht? Eine vom US-Justizministerium in Auftrag gegebene und von Psychologen der renommierten Universität Harvard durchgeführte Studie scheint das Gegenteil zu belegen. Bereits 2004 begannen Dr. Lawrence Kutner und Dr. Cheryl K. Olson, Mitbegründer und Leiter des “Harvard Medical School Center for Mental Health and Media” mit der Studie, welche die Auswirkungen von Videospielen auf junge Teenager untersuchen sollte.
Einige Unterschiede zu den sonst gern zitierten Studien wurden dabei von vornherein angestrebt. So testeten die Forscher nicht in klinisch-steriler Laboratmosphäre, sondern in einer Wohn- und Lebenssituation, die den Probanden und ihren Familien vertraut war. Mit rund 1200 Teilnehmern aus unterschiedlichen sozialen Schichten und Bevölkerungsgruppen wurde zudem ein bislang nie erreichtes Spektrum erreicht, sowohl was die reine Teilnehmerzahl als auch die Vielfältigkeit der Testgruppe angeht. Man bemühte sich außerdem darum, gezielt und aussagekräftig zu vergleichen, also etwa nicht einen extremen Shooter und ein Spiel wie Solitär gegenüberzustellen und aus dem Stresspegel der jeweiligen Spieler Rückschlüsse zu ziehen. Auch wurden die Spieler nicht unvorbereitet und nur kurzzeitig vor ein Spiel gesetzt, sondern Faktoren wie Eingewöhnungszeit, Verstehen von Spielmechanismen und das Erlernen der Steuerung wurden berücksichtigt.

Die Studie widerlegt einige der gängigsten Vorurteile und Falschwarhnehmungen. Unter anderem kommt klar durch, dass auch Mädchen sich für actionreiche Spiele begeistern und dass Videospielen nicht notwendigerweise zur Vereinsamung führt. Vielmehr kam im Laufe der Untersuchung heraus, dass die Spiele ein gängiges Gesprächsthema in Schulen sind und Jugendliche ohne entsprechende Möglichkeiten beinahe zwangsläufig von solchen Gesprächen ausgeschlossen sind, was viel eher zur Vereinsamung führt.
Dennoch beschönigt die Untersuchung nichts. Themen wie Suchtverhalten oder die realen Gefahren des Videospielens werden durchaus angesprochen, allerdings mit Fingerspitzengefühl und nicht übertriebener Panikmache.

Unter dem Titel “Grand Theft Childhood – The Surprising Truth About Violent Video Games” veröffentlichte der Verlag Simon&Schuster die Ergebnisse kürzlich in einer für die Zielgruppe verständlichen Sprache. Das Buch richtet sich nämlich nicht an ausgebildete Verhaltensforscher, sondern an Familien jeglichen Bildungsniveaus mit einem Interesse an verantwortungsbewusstem Medienkonsum. So geht es in dem Buch auch nicht um obskure Patentrezepte, sondern darum, bei den Eltern ein Problem- und Situationsverständnis zu erschaffen, das wiederum den angemessenen Umgang mit den Videospielgewohnheiten des Nachwuchses ermöglichen soll.

Selbstverständlich gibt es eine Website, die die Studie und speziell das Buch begleitet. Dort lassen sich auch Ausschnitte aus dem Buch probelesen und einige Ergebnisse der Studie bestaunen. Ob und wann es eine deutsche Version gibt, ist bislang noch nicht bekannt.


Erstveröffentlichung 05.05.2008 14:00 auf figh7club.com